Kostüme
Rabenschwarz inmitten bunter Kostüme
Die grosse Attraktion des Sechseläutenumzuges sind gewiss die Kostüme der Gesellschaft zur Constaffel wie auch der Zünfte samt allen Requisiten, Wagen und Reitergruppen. Dabei vergessen wir leicht, dass im 19. Jahrhundert die Kostüme keineswegs festgelegt waren, sondern von Jahr zu Jahr wechselten. Ein jeweils für ein Jahr festgelegtes Thema gab die Richtschnur für die mehr oder weniger phantasievolle Kostümierung. Man kann - leicht übertrieben - sogar behaupten, diese archaischen Sechseläutenumzüge hätten geradezu fasnächtlichen Charakter aufgewiesen. Erst als der Sechseläutenumzug allmählich zu einer ernsthaften Tradition geworden ist, fixierte sich die Kostümierung zum unverwechselbaren Erscheinungsbild jeder Zunft, bei den historischen Zünften natürlich berufsbezogen, bei den Quartierzünften auf die Geschichte der ehemaligen Gemeinden abgestützt.
Die Zunft sucht und findet ihre Kostüme
Ab 1956 befasste sich die Vorsteherschaft unter Zunftmeister Walter Kamer fast an jeder Sitzung mit der Kostümfrage. Die Protokolle lassen deutlich durchschimmern, dass die Vorsteher zögerlich und sehr skeptisch an dieses Thema herangingen. Pflichtbewusste Vorsteherschaften verlieren eben die Finanzprobleme nie aus den Augen. Immerhin luden die Vorsteher auf den 22. Mai 1956 den durch seine Forschungen und Publikationen ausgewiesenen Kenner der Wiediker Geschichte, Pfarrer Paul Etter, zu ihrer Sitzung ein. Dabei zeichnete sich bereits die später realisierte "Reichshof-Konzeption" ab, von der anschliessend berichtet wird.
Der Reichshof von 1259
Warum aber hat die "Reichshof-Konzeption" die anderen Vorschläge aus dem Feld geschlagen? Dazu ist ein Blick zurück in die Geschichte von Alt-Wiedikon erforderlich:
Wie kommt der Neuzünfter zu seinem Kostüm?
Anfänglich stand es jedem Zünfter frei, sich ein Kostüm zu beschaffen oder weiterhin als rabenschwarzer "Pinguin" mitzumarschieren. Erstaunlich viele Zünfter liessen sich rasch einkleiden. Der Zunft aber oblag es, zunfteigene Kostüme anzuschaffen: Für Bannerherr, Herold, Wächter, Reiter und Kindergruppe sowie später auch für das Zunftspiel. Dieser grosse Brocken konnte dank dem Mäzenatentum etlicher Zünfter finanziert werden.
Die derzeit gültigen Satzungen der Zunft vom 22. Januar 1993 schreiben im Anhang "Kostümvorschrift", Art.3 vor:
"Jeder neueintretende Zünfter muss innerhalb von drei Jahren ein Zunftkostüm durch Vermittlung der Zunft zu Eigentum anschaffen".
Innerhalb der Vorsteherschaft ist der Kostümchef für die Beratung der Neuzünfter verantwortlich und er entscheidet im Zweifelsfall über die Zulässigkeit eines Kostüms. Die Richtlinien sind gegeben. Auf persönliche Wünsche des Neuzünfters kann Rücksicht genommen werden, beispielsweise wenn er sein Kostüm in Bezug zu seinem Beruf oder zu seiner familiären Tradition setzen möchte. Aber natürlich sind der ausschweifenden Phantasie Grenzen gesetzt.
Wie "historisch" sind die Wiedikerkostüme?
Strenge Historiker könnten der bestehenden Kostümierung zwei Vorbehalte entgegenstellen, die wir nicht verschweigen wollen:
Erstens erscheinen unter den "vornehmen Leuten" Persönlichkeiten, die historisch fassbar und belegt sind. Daneben tauchen aber auch höchst phantasievolle Namen auf, die in keiner Quelle genannt werden und die mehr der Dichtung als der Wahrheit angehören. Aber am Sechseläuten treten die "historischen" Personen gleichberechtigt neben den "Phantasiepersonen" auf.
Zweitens gibt es beim "Fussvolk" Kostüme, die sich auf Berufe beziehen, die es weder 1259 noch später in Wiedikon gegeben hat. Zur Zeit des Reichshofes waren einige Berufe noch gar nicht vorhanden und später hat das Zunftmonopol der nahen Stadt bekanntlich das dörfliche Gewerbe harten Restriktionen unterworfen. Trotzdem werden die unhistorischen Berufsdarstellungen geduldet. In diesen Fällen hat der Wunsch der Neuzünfter, einen Bezug zu ihrem Beruf darzustellen, Vorrang erhalten. Auch der Wunsch nach einer möglichst bunten Vielfalt der Kostüme hat eine Rolle gespielt.
Mit diesen beiden Vorbehalten sei der Geschichtswissenschaft die schuldige Reverenz erwiesen. Der Zunft zu Wiedikon ist wohl bewusst, dass ihre Kostümierung einer akribischen historischen Prüfung nur teilweise standhalten kann. Aber das trägt sie mit Fassung: Einmal kommen die individuellen Züge der einzelnen Zünfter viel mehr zur Geltung als bei einer uniformen Kostümierung, und zum anderen darf und soll das Ganze doch auch ein Spiel sein, ein Spiel zwar mit Regeln, aber auch mit Spielraum, und die ästhetische Gesamtwirkung darf sich wohl sehen lassen.
Die Zunft zu Wiedikon freut sich ganz besonders, dass sie auf das Jubiläumsjahr 1997 hin ihr Zunftspiel mit leicht modifizierten Kostümen gänzlich neu eingekleidet hat. Damit hat die Zunft wieder ein Erscheinungsbild, das ihr am Sechseläuten Ehre einlegt.
Zunftlaterne
Jeder Zünfter hat nach seiner Aufnahme in die Zunft neben dem Kostüm auch eine Zunftlaterne anzuschaffen. Auf einer Seite dieser Laterne ist das Wiedikerwappen auf der anderen sein Familienwappen.
In früheren Zeiten waren diese Laternen sehr wichtig, weil die Strassenbeleuchtung noch nicht so gut war wie heute. Nach dem ersten Sechseläuten, an welchem unsere Zunft teilnahm, wurde bestimmt, dass noch mehr Laternen angeschafft werden müssen. Dies darum, weil einzelne Zünfter nach dem Auszug beinahe den Heimweg nicht mehr gefunden hätten. Ohne Laterne haben sie die Strassenschilder anscheinend nicht lesen können.
Heute ist dies völlig anders. Die Strassenbeleuchtung ist hervorragend. Der Zugchef hat darum Mühe, die Zünfter zu überzeugen, ihre Laterne am Abend mitzunehmen.